… ein Weg wie jeder
andere ...
Also Reitstall! Derart despektierlich sollte ich diese
Anlage eigentlich nicht benennen. Immerhin handelt es sich dabei um die
ehemaligen k.u.k. Hofstallungen, die im Jahre 1800 vom damals überaus bekannten
Architekten Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg (* 07.02.1733 getauft - † 14.12.1816) errichtet worden
sind. Wenn man dazu bedenkt, daß in diesen Stallungen unter anderen auch
Kaiserin Elisabeth, also die ‚Sisi‘, ein- und ausgegangen ist, dann hat das
Gebäude schon was, oder? Wie auch immer.
K.k. Hofstallungen Laxenburg |
K.k. Hofstallungen Laxenburg |
Jedenfalls zog nach dem zweiten Weltkrieg und Abzug der
Besatzungstruppen im Jahr 1955 der ‚Union Reitclub Laxenburg‘ in diese
Stallungen ein. Am 15. Oktober 1966 veranstaltete ein gewisser Herr Peter
Nidetzky (* 5. Juni 1940 in Wien, ehemaliger
österreichischer Fernsehmoderator beim ORF, Fahndungssendung Aktenzeichen XY
ungelöst, bis 2001 Präsident des Landesfachverbandes für Reiten und Fahren in
Niederösterreich, Bundesreferent für Springreiten im Bundesfachverband für
Reiten und Fahren in Österreich‚ „Mister Pferdesport“) das erste Reit-
und Springturnier im Schloßpark Laxenburg. Bemerkenswert ist, daß bei diesem
Turnier erstmals eine elektronische Zeitnehmung verwendet wurde. Und die hat
sogar funktioniert! Jährlich gab es danach Springturniere im Schloßpark
Laxenburg und 1974 sogar das erste von sieben ‚CSIO‘ Turnieren. ‚Concours de
Saut International Officiel‘ heißt das auf deutsch, oder auch französisch (wer
nimmt das schon so genau).
K.k. Wagenremise Laxenburg |
Einige Zeit konnte man es noch auf der Heimseite des 'Union Reitclub Laxenburg' lesen: Mit Ende Februar
2016 hat der „Union Reitclub Laxenburg“ seine Tätigkeit eingestellt. Reitbetrieb
und Stallung wird derzeit von der „Equisport
GmbH & Co Kg“ (Industriellenfamilie Michelfeit) weitergeführt. Irgendwann,
vielleicht schon in einigen Monaten, oder so, wird man diese ‚Neuigkeit‘auch
auf der Heimseite der Schloß
Laxenburg Betriebsgesellschaft lesen können?
Also dort, bei den ehemaligen k.k. Hofstallungen beginnt jedenfalls
dieser Weg über den ich hier schreibe.
Das mit Wegen und Straßen ist ja generell so eine Sache.
Nicht daß ‚sie‘ sich selbst verändern würden. Sie werden vielmehr verändert.
Zum Beispiel in ihrer Oberflächen - Beschaffenheit durch Mensch und/oder
Witterungseinflüsse. Sehr viele Wege haben (nicht nur) im Schloßpark Laxenburg
im Laufe vergangener Jahre, Jahrzehnte, ihren Verlauf geändert, sind zum Teil gar
nicht mehr vorhanden, andere Wege sind dazugekommen, neue errichtet worden.
Ein Weg allerdings,
der hat im Schloßpark Laxenburg an gleicher Stelle, heute ebenso schnurgerade
wie seinerzeit und in nahezu gleicher Länge, tatsächlich Jahrhunderte überdauert.
Und dieser Weg hat sogar einen eigenen Namen: Es ist der sogenannte
„Palamaygang“.
Heute ist dieser Weg
asphaltiert, an beiden Enden etwas verlängert, weil er nun in das Wegenetz des
Schloßparks eingebunden und in erster Linie zum „Spazierengehen“ bestimmt ist. Die
schöne Allee beginnt westlich vom Alten Schloß, nahe dem Parkeingang beim
Reitstall und führt über die Palamay-Brücke bis hinunter zum Forstmeisterkanal,
dem damaligen „Falckner-Looben“.
In früheren Zeiten war
dieser ‚Weg‘ allerdings kein Weg zum Lustwandeln, er war eine Ballspielbahn: Der „Palamaygang“, auch als
Palamaybahn bezeichnet.
Er ist eines der
ältesten noch erhaltenen Bestandselemente im Schloßpark Laxenburg. Die Länge dieser
ehemaligen Ballspielbahn wird in alten Berichten mit 1002 „Schritten“
angegeben. Gemeint ist der in alten Karten als Längenmaß verwendete „Wiener
Schritt“, dessen Strecke heute etwa 75 cm entsprechen würde. Somit ergeben die
1002 Schritte der Palamaybahn eine Länge von ungefähr 750 Meter. In Google
Earth nachgemessen stimmt das in etwa auch überein.
Bereits auf der „Mappa
Uber Die Kayserl: HERRSCHAFT LAXENBURG“, einer Planansicht von J. J. Marinoni aus dem Jahre 1716, ist die ‚Palamybahn‘ als „Der
Palamay Gang“ (siehe Plan-Ausschnitt) eingezeichnet.
Ausschnitt aus der "Mappa" 1716 |
Wie diese
Ballspielbahn ausgesehen haben mag, beschreibt Géza Hajós („Der Schloßpark
Laxenburg, ein Führer durch Geschichte und Gegenwart“):
„Die Mail Bahn war eine 1002 Fuß
lange, gerade, befestigte Strecke zum Ballstoßen. Ihr Boden bestand aus Lehm,
und die seitlichen Begrenzung wurde von einer niedrigen Lattenwand gebildet.
Die Mail Bahn wurde schon zur Zeit von Kaiser Leopold I. bespielt und ist somit
das älteste Gestaltungselement des Parks.“
An anderer Stelle
erwähnt Herr Géza Hajós auch einen jungen Erzherzog, der sich gerne auf dieser
Ballbahn vergnügte „... und hatte die Stärke und
Fertigkeit den Ball in drei Würfen durch die ganze Bahn zu schleudern“. Dieser Erzherzog war der älteste Sohn von Kaiserin Maria Theresia und spätere
Kaiser Joseph II. als er noch Erzherzog war. Ich halte diese Behauptung mit den
‚drei Würfen‘ freilich für eine höfliche Übertreibung, weil ich mir nicht
vorstellen kann, einen Ball (wie immer der ausgesehen haben mag) in nur drei
Würfen oder Stößen 750 Meter weit zu befördern. Das noch dazu auf einer
unebenen, holprigen Lehm-Bahn und mit großer Wahrscheinlichkeit mehrfach
gebremst durch Anschlagen an den Begrenzungswänden.
Diese Ballspielbahn, der Palamaygang,
wurde immer wieder durch Überschwemmungen beschädigt, aber stets wieder
bespielbar hergerichtet. Bis zum Jahre 1804. In diesen Jahr wurde der Spielbetrieb dann endgültig
eingestellt.
Wie diese sportliche Betätigung, im Allgemeinen und wahrscheinlich auch in
Laxenburg ausgeführt wurde beschreibt kurz und bündig eine Seite bei Wikipedia im
Internet:
Paille-Maille, (in England als Pall Mall bekannt; weitere Schreibweisen: Baille-Maille, Palle-malle, Jeu de Mail) war ein Ballspiel des 16. und 17. Jahrhunderts und
ein Vorläufer sowohl des im 19. Jahrhundert verbreiteten Krocket (frz.:
Croquet) als auch des heutigen Swingolf. Es zählt zu den auf Hartplatz
gespielten Präzisionssportarten (im Gegensatz zu Croquet, das auf Wiesen
gespielt wird).
Der Name stammt vom italienischen pallamaglio
bzw. palla di maglio, was
wörtlich übersetzt „Ball des Holzhammers“ bedeutet. Es wurde auf einer langen
befestigten Bahn gespielt, an deren Ende ein eiserner Reifen über dem Boden
aufgehängt war. Das Ziel war es, einen Ball aus Buchsbaumholz, der mit ca.
einem Fuß Umfang (etwa 30 cm ~ 9,5 cm Durchmesser) ungefähr die Größe eines
modernen Krocketballs hatte, mit möglichst wenigen Schlägen eines schweren
hölzernen Schlägers (des mallet)
entlang der Bahn und durch den Reifen zu schlagen.
Wesentlich detaillierter
und genauer wird dieses Ballspiel in der in den Jahren 1773 bis
1858 in 242 Bänden erschienenen ‚Encyklpädie‘ von Krünitz
beschrieben:
Auch über den körperlichen und gesundheitlichen Aspekt
dieser Sportart hat sich Herr Krünitz Gedanken gemacht. Er schreibt:
„Unter den Bewegungs=Spielen bleibt
dieses immer eins der angenehmsten und ungezwungensten. Da es keine allzustarke
Bewegung erfordert, so ist es der Gesundheit zuträglich; und da man zu gleicher
Zeit spielen, und in einer angenehmen Gesellschaft sich die Zeit mit Sprechen
vertreiben kann, so verdient es auch in der Annehmlichkeit einen Vorzug. Da man
sich bey andern Spielen öfters zu sehr abmatten muß, so hat man bey dieser
Uebung den Vortheil, daß man nicht mehr Bewegung dabey hat, als bey einem
gewöhnlichen Spaziergange, und selbst diese Bewegung, welche das hin und wieder
treiben der Kugeln verursachet, ist gleichsam eine Universal=Medicin gegen
Husten, rauhen Hals und andere Uebel, denen man bey Veränderung der Jahrszeiten
unterworfen ist, zumahl wenn man nur mäßig und bey schönen Tagen spielt. Hierzu
kommt noch, daß ein jedes Alter des menschlichen Lebens hierzu aufgelegt ist.
Das männliche Alter hat hierin vor dem Jünglinge keinen Vorzug, und der Greis
spielt es noch mit eben dem Vergnügen, mit welchem er es vor 40 Jahren als
Jüngling spielte. Seine Schönheit besteht gar nicht darin, so genannte grands
coups zu machen; es ist genug, wenn es nur zierlich gespielt wird. Hierzu kommt
noch Sicherheit und Stärke. Hat man es so weit gebracht, diese beyde Stücke zu
besitzen, so ist man ein vollkommener Spieler.“
Und nicht zuletzt erfährt man in dieser ‚Encyklpädie‘ vieles über die Herstellung und
Beschaffenheit der ‚Sportinstrumente‘, also der zu schlagenden Kugel und des antreibenden
‚Hammers‘.
„Die Kugeln sind aus Buchsbaum=Wurzeln
gemacht; und diejenigen sind die besten, die aus heißen Gegenden kommen. Das
Hauptsächlichste zur Bildung dieser Kugeln muß die Natur thun. Die Wurzeln des
Baumes bilden hier und da in den Spalten und Höhlen der Felsen rundliche
Knollen; diese geben den besten Stoff dazu. Man trocknet sie einige Zeit, dreht
sie zu vollkommenen Kugeln, und härtet sie bis sie die gehörige Festigkeit
haben, den heftigsten Schlägen zu widerstehen, ohne Beulen zu bekommen. Zu
diesem Ende werden sie zuförderst gekörnt, d. h. mit einem Hammer, dessen Bahn
gekörnt ist, über und über geklopft, bis sie das Ansehen von geköpertem Zeuge
oder von Chagrin haben, und dann fängt man an, sie einzuspielen, d. h. man
schlägt sie mit dem Schlägel auf einem Platze, der mit Fluß=Sande überdeckt
ist, anfangs mit kleinen, in der Folge verstärkten Schlägen herum, und reibt
sie nach jedesmahligem Gebrauche mit Glas=Kraut (Parietaria). So werden sie
endlich hart.“
Interessant ist auch der Vorschlag von Herrn
Krünitz wie diese sicherlich nicht ganz billigen Kugeln am besten aufbewahrt
werden sollten:
„Die beste Art, sie ausser dem Gebrauche zu verwahren, ist in einem, mit
schmutziger Wäsche angefüllten, Sacke.“
Über
die Herstellung des ‚Hammers‘, oder ‚Schlägels‘ berichter Krünitz:
„Der
Schlägel (Mail), womit die Kugeln fortgetrieben werden, besteht aus der Masse
oder dem Kopfe, und dem Stiele oder Hefte. Die Masse ist tonnenförmig gedreht,
aus dem Holze der immergrünen Eiche. Beyde Enden sind mit eisernen Ringen
beschlagen, die doch aber nicht bis auf die Fläche der Bahn vortreten dürfen,
damit das Eisen nicht auf die Kugel treffe. Sie ist anfangs nicht hart genug,
und muß daher nach und nach so abgehärtet werden, wie vorhin die Kugeln;
besonders wird sie hart durch anfangs kleine und in der Folge immer heftiger
werdende Schläge. Genau durch die Mitte bekommt sie ein Loch für den Stiel, der
sehr haltbar darin befestigt werden muß. Wo es keine immergrünen Eichen giebt,
muß man dazu eine andere feste Holz=Gattung, z. B. die obige sogenannte
Weißbüche, oder auch den wilden Birnbaum, wählen. …. Der Durchmesser ihrer
beyden Bahnen ist dem Durchmesser der Kugel ziemlich gleich. Die Wölbung ihres
Bauches sollte eigentlich gleich seyn einem Bogen, dessen Mittelpunct in der
untern Hand des Schlagenden liegt; doch ist diese Genauigkeit so pünctlich
nicht zu beobachten ….“
Kugel und Hammer für "Kugelschlagen" |
Über die Frage ob bei der Mail-Bahn im Schloßpark Laxenburg
durch irgendwelche ‚Begrenzungen‘ Vorsorge getroffen war ein Verlassen der
Kugel von der Bahn zu verhindern oder nicht, gibt es unterschiedliche akademische
Auffassungen (Dr. Elisabeth Springer vs. Géza Hajós).
Meiner (allerdings völlig unakademischen) Meinung nach war
die Mail-Bahn im Schloßpark Laxenburg, jedenfalls auf Teilstücken, mit einer
Bretterwand eingezäunt.
‚Krünitz‘ schreibt, wie schon erwähnt, über die
Beschaffenheit von Mail-Bahnen: „als einen ‚fest geschlagenen‘
(also harten), mit Schranken eingefaßte Boden“. Was nun die
Laxenburger Mailbahn betrifft gibt es eine wunderschöne Arbeit des Landschaftszeichners
Laurenz Janscha, wo er in einem um 1800 entstandenen Aquarell den ‚Eingang
zum kleinen Prater‘ darstellt. Aber ein Detail am
Rande der Zeichnung zeigt eindeutig die aus einem Bretterzaun bestehende Einzäunung
vom ‚Palamaygang‘. (i.Ü: Über den „Kleinen Prater“ im Schloßpark Laxenburg werde
ich bei Gelegenheit auch noch etwas schreiben.)
Ausschnitt aus "Lorenz Janscha, Eingang zum kleinen Prater in Laxenburg" |
Der
Pfeil zeigt in Richtung des Dianatempels. Davor ist deutlich die nicht sehr hohe Einfassung des Palamay-Ganges durch einen
Bretterzaun zu sehen. Warum sollte der Herr Janscha einen solchen Zaun gezeichnet haben,
wenn er ihn gar nicht gesehen hat?
Auf dem
Plan von Viebeck (1813) stellt sich die Situation so dar:
Ausschnitt aus Plan von Viebeck 1813 |
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