Sonntag, 1. Mai 2016

Schloßpark Laxenburg, ein besonderer Weg


… ein Weg wie jeder andere ...







 … oder vielleicht doch nicht? Ist dieser etwa 750 Meter lange, schnurgerade Weg über den ich hier berichten will wirklich einer wie alle anderen Wege im Schloßpark Laxenburg? Na, schau‘ ma mal. Dieser Weg beginnt jedenfalls beim Reitstall …
 
Also Reitstall! Derart despektierlich sollte ich diese Anlage eigentlich nicht benennen. Immerhin handelt es sich dabei um die ehemaligen k.u.k. Hofstallungen, die im Jahre 1800 vom damals überaus bekannten Architekten Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg (* 07.02.1733 getauft - † 14.12.1816) errichtet worden sind. Wenn man dazu bedenkt, daß in diesen Stallungen unter anderen auch Kaiserin Elisabeth, also die ‚Sisi‘, ein- und ausgegangen ist, dann hat das Gebäude schon was, oder? Wie auch immer.


K.k. Hofstallungen Laxenburg

K.k. Hofstallungen Laxenburg


Jedenfalls zog nach dem zweiten Weltkrieg und Abzug der Besatzungstruppen im Jahr 1955 der ‚Union Reitclub Laxenburg‘ in diese Stallungen ein. Am 15. Oktober 1966 veranstaltete ein gewisser Herr Peter Nidetzky (* 5. Juni 1940 in Wien, ehemaliger österreichischer Fernsehmoderator beim ORF, Fahndungssendung Aktenzeichen XY ungelöst, bis 2001 Präsident des Landesfachverbandes für Reiten und Fahren in Niederösterreich, Bundesreferent für Springreiten im Bundesfachverband für Reiten und Fahren in Österreich‚ „Mister Pferdesport“) das erste Reit- und Springturnier im Schloßpark Laxenburg. Bemerkenswert ist, daß bei diesem Turnier erstmals eine elektronische Zeitnehmung verwendet wurde. Und die hat sogar funktioniert! Jährlich gab es danach Springturniere im Schloßpark Laxenburg und 1974 sogar das erste von sieben ‚CSIO‘ Turnieren. ‚Concours de Saut International Officiel‘ heißt das auf deutsch, oder auch französisch (wer nimmt das schon so genau).


K.k. Wagenremise Laxenburg



Einige Zeit konnte man es noch auf der Heimseite des 'Union Reitclub Laxenburg' lesen: Mit Ende Februar 2016 hat der „Union Reitclub Laxenburg“ seine Tätigkeit eingestellt. Reitbetrieb und Stallung wird derzeit von der „Equisport GmbH & Co Kg“ (Industriellenfamilie Michelfeit) weitergeführt. Irgendwann, vielleicht schon in einigen Monaten, oder so, wird man diese ‚Neuigkeit‘auch auf der Heimseite der Schloß Laxenburg Betriebsgesellschaft lesen können?
 
Also dort, bei den ehemaligen k.k. Hofstallungen beginnt jedenfalls dieser Weg über den ich hier schreibe.
 
Das mit Wegen und Straßen ist ja generell so eine Sache. Nicht daß ‚sie‘ sich selbst verändern würden. Sie werden vielmehr verändert. Zum Beispiel in ihrer Oberflächen - Beschaffenheit durch Mensch und/oder Witterungseinflüsse. Sehr viele Wege haben (nicht nur) im Schloßpark Laxenburg im Laufe vergangener Jahre, Jahrzehnte, ihren Verlauf geändert, sind zum Teil gar nicht mehr vorhanden, andere Wege sind dazugekommen, neue errichtet worden.
 
Ein Weg allerdings, der hat im Schloßpark Laxenburg an gleicher Stelle, heute ebenso schnurgerade wie seinerzeit und in nahezu gleicher Länge, tatsächlich Jahrhunderte überdauert. Und dieser Weg hat sogar einen eigenen Namen: Es ist der sogenannte „Palamaygang“.




Heute ist dieser Weg asphaltiert, an beiden Enden etwas verlängert, weil er nun in das Wegenetz des Schloßparks eingebunden und in erster Linie zum „Spazierengehen“ bestimmt ist. Die schöne Allee beginnt westlich vom Alten Schloß, nahe dem Parkeingang beim Reitstall und führt über die Palamay-Brücke bis hinunter zum Forstmeisterkanal, dem damaligen „Falckner-Looben“.
 
In früheren Zeiten war dieser ‚Weg‘ allerdings kein Weg zum Lustwandeln, er war eine Ballspielbahn: Der „Palamaygang“, auch als Palamaybahn bezeichnet.
 
Er ist eines der ältesten noch erhaltenen Bestandselemente im Schloßpark Laxenburg. Die Länge dieser ehemaligen Ballspielbahn wird in alten Berichten mit 1002 „Schritten“ angegeben. Gemeint ist der in alten Karten als Längenmaß verwendete „Wiener Schritt“, dessen Strecke heute etwa 75 cm entsprechen würde. Somit ergeben die 1002 Schritte der Palamaybahn eine Länge von ungefähr 750 Meter. In Google Earth nachgemessen stimmt das in etwa auch überein.



Bereits auf der „Mappa Uber Die Kayserl: HERRSCHAFT LAXENBURG“, einer Planansicht von J. J. Marinoni aus dem Jahre 1716, ist die ‚Palamybahn‘ als „Der Palamay Gang“ (siehe Plan-Ausschnitt) eingezeichnet.


Ausschnitt aus der "Mappa" 1716
  

Wie diese Ballspielbahn ausgesehen haben mag, beschreibt Géza Hajós („Der Schloßpark Laxenburg, ein Führer durch Geschichte und Gegenwart“):
 
„Die Mail Bahn war eine 1002 Fuß lange, gerade, befestigte Strecke zum Ballstoßen. Ihr Boden bestand aus Lehm, und die seitlichen Begrenzung wurde von einer niedrigen Lattenwand gebildet. Die Mail Bahn wurde schon zur Zeit von Kaiser Leopold I. bespielt und ist somit das älteste Gestaltungselement des Parks.“
 
An anderer Stelle erwähnt Herr Géza Hajós auch einen jungen Erzherzog, der sich gerne auf dieser Ballbahn vergnügte „... und hatte die Stärke und Fertigkeit den Ball in drei Würfen durch die ganze Bahn zu schleudern“. Dieser Erzherzog war der älteste Sohn von Kaiserin Maria Theresia und spätere Kaiser Joseph II. als er noch Erzherzog war. Ich halte diese Behauptung mit den ‚drei Würfen‘ freilich für eine höfliche Übertreibung, weil ich mir nicht vorstellen kann, einen Ball (wie immer der ausgesehen haben mag) in nur drei Würfen oder Stößen 750 Meter weit zu befördern. Das noch dazu auf einer unebenen, holprigen Lehm-Bahn und mit großer Wahrscheinlichkeit mehrfach gebremst durch Anschlagen an den Begrenzungswänden.
 
Diese Ballspielbahn, der Palamaygang, wurde immer wieder durch Überschwemmungen beschädigt, aber stets wieder bespielbar hergerichtet. Bis zum Jahre 1804. In diesen Jahr wurde der Spielbetrieb dann endgültig eingestellt.
 
Wie diese sportliche Betätigung, im Allgemeinen und wahrscheinlich auch in Laxenburg ausgeführt wurde beschreibt kurz und bündig eine Seite bei Wikipedia im Internet:
 
Paille-Maille, (in England als Pall Mall bekannt; weitere Schreibweisen: Baille-Maille, Palle-malle, Jeu de Mail) war ein Ballspiel des 16. und 17. Jahrhunderts und ein Vorläufer sowohl des im 19. Jahrhundert verbreiteten Krocket (frz.: Croquet) als auch des heutigen Swingolf. Es zählt zu den auf Hartplatz gespielten Präzisionssportarten (im Gegensatz zu Croquet, das auf Wiesen gespielt wird).
 
Der Name stammt vom italienischen pallamaglio bzw. palla di maglio, was wörtlich übersetzt „Ball des Holzhammers“ bedeutet. Es wurde auf einer langen befestigten Bahn gespielt, an deren Ende ein eiserner Reifen über dem Boden aufgehängt war. Das Ziel war es, einen Ball aus Buchsbaumholz, der mit ca. einem Fuß Umfang (etwa 30 cm ~ 9,5 cm Durchmesser) ungefähr die Größe eines modernen Krocketballs hatte, mit möglichst wenigen Schlägen eines schweren hölzernen Schlägers (des mallet) entlang der Bahn und durch den Reifen zu schlagen.




Wesentlich detaillierter und genauer wird dieses Ballspiel in der in den Jahren 1773 bis 1858 in 242 Bänden erschienenen Encyklpädie‘ von Krünitz beschrieben:







 Krünitz bezeichnet das Spiel als „Das Kugelschlagen, oder Lauf=Spiel“. Und mal ehrlich, "Kugelschlagen" trifft doch genau den Nagel auf den Kopf, oder hier halt die Kugel auf den Hammer. Mit einem hölzernen Hammer wird eine Kugel auf einem festen Boden soweit als möglich fortgeschlagen, dann muß man ihr ‚geschwinde‘ nachlaufen, bis das runde Ding endlich an das Ende der Lauf=Bahn getrieben ist. Die ‚Mailbahn‘ selbst bezeichnet Krünitz als einen ‚fest geschlagenen‘ (also harten), mit Schranken eingefaßte Boden.
Auch über den körperlichen und gesundheitlichen Aspekt dieser Sportart hat sich Herr Krünitz Gedanken gemacht. Er schreibt:
„Unter den Bewegungs=Spielen bleibt dieses immer eins der angenehmsten und ungezwungensten. Da es keine allzustarke Bewegung erfordert, so ist es der Gesundheit zuträglich; und da man zu gleicher Zeit spielen, und in einer angenehmen Gesellschaft sich die Zeit mit Sprechen vertreiben kann, so verdient es auch in der Annehmlichkeit einen Vorzug. Da man sich bey andern Spielen öfters zu sehr abmatten muß, so hat man bey dieser Uebung den Vortheil, daß man nicht mehr Bewegung dabey hat, als bey einem gewöhnlichen Spaziergange, und selbst diese Bewegung, welche das hin und wieder treiben der Kugeln verursachet, ist gleichsam eine Universal=Medicin gegen Husten, rauhen Hals und andere Uebel, denen man bey Veränderung der Jahrszeiten unterworfen ist, zumahl wenn man nur mäßig und bey schönen Tagen spielt. Hierzu kommt noch, daß ein jedes Alter des menschlichen Lebens hierzu aufgelegt ist. Das männliche Alter hat hierin vor dem Jünglinge keinen Vorzug, und der Greis spielt es noch mit eben dem Vergnügen, mit welchem er es vor 40 Jahren als Jüngling spielte. Seine Schönheit besteht gar nicht darin, so genannte grands coups zu machen; es ist genug, wenn es nur zierlich gespielt wird. Hierzu kommt noch Sicherheit und Stärke. Hat man es so weit gebracht, diese beyde Stücke zu besitzen, so ist man ein vollkommener Spieler.“
 
Und nicht zuletzt erfährt man in dieser ‚Encyklpädie‘ vieles über die Herstellung und Beschaffenheit der ‚Sportinstrumente‘, also der zu schlagenden Kugel und des antreibenden ‚Hammers‘.
 
„Die Kugeln sind aus Buchsbaum=Wurzeln gemacht; und diejenigen sind die besten, die aus heißen Gegenden kommen. Das Hauptsächlichste zur Bildung dieser Kugeln muß die Natur thun. Die Wurzeln des Baumes bilden hier und da in den Spalten und Höhlen der Felsen rundliche Knollen; diese geben den besten Stoff dazu. Man trocknet sie einige Zeit, dreht sie zu vollkommenen Kugeln, und härtet sie bis sie die gehörige Festigkeit haben, den heftigsten Schlägen zu widerstehen, ohne Beulen zu bekommen. Zu diesem Ende werden sie zuförderst gekörnt, d. h. mit einem Hammer, dessen Bahn gekörnt ist, über und über geklopft, bis sie das Ansehen von geköpertem Zeuge oder von Chagrin haben, und dann fängt man an, sie einzuspielen, d. h. man schlägt sie mit dem Schlägel auf einem Platze, der mit Fluß=Sande überdeckt ist, anfangs mit kleinen, in der Folge verstärkten Schlägen herum, und reibt sie nach jedesmahligem Gebrauche mit Glas=Kraut (Parietaria). So werden sie endlich hart.“
Interessant ist auch der Vorschlag von Herrn Krünitz wie diese sicherlich nicht ganz billigen Kugeln am besten aufbewahrt werden sollten:
Die beste Art, sie ausser dem Gebrauche zu verwahren, ist in einem, mit schmutziger Wäsche angefüllten, Sacke.“
Über die Herstellung des ‚Hammers‘, oder ‚Schlägels‘ berichter Krünitz:
„Der Schlägel (Mail), womit die Kugeln fortgetrieben werden, besteht aus der Masse oder dem Kopfe, und dem Stiele oder Hefte. Die Masse ist tonnenförmig gedreht, aus dem Holze der immergrünen Eiche. Beyde Enden sind mit eisernen Ringen beschlagen, die doch aber nicht bis auf die Fläche der Bahn vortreten dürfen, damit das Eisen nicht auf die Kugel treffe. Sie ist anfangs nicht hart genug, und muß daher nach und nach so abgehärtet werden, wie vorhin die Kugeln; besonders wird sie hart durch anfangs kleine und in der Folge immer heftiger werdende Schläge. Genau durch die Mitte bekommt sie ein Loch für den Stiel, der sehr haltbar darin befestigt werden muß. Wo es keine immergrünen Eichen giebt, muß man dazu eine andere feste Holz=Gattung, z. B. die obige sogenannte Weißbüche, oder auch den wilden Birnbaum, wählen. …. Der Durchmesser ihrer beyden Bahnen ist dem Durchmesser der Kugel ziemlich gleich. Die Wölbung ihres Bauches sollte eigentlich gleich seyn einem Bogen, dessen Mittelpunct in der untern Hand des Schlagenden liegt; doch ist diese Genauigkeit so pünctlich nicht zu beobachten ….“

Kugel und Hammer für "Kugelschlagen"

Über die Frage ob bei der Mail-Bahn im Schloßpark Laxenburg durch irgendwelche ‚Begrenzungen‘ Vorsorge getroffen war ein Verlassen der Kugel von der Bahn zu verhindern oder nicht, gibt es unterschiedliche akademische Auffassungen (Dr. Elisabeth Springer vs. Géza Hajós).
 
Meiner (allerdings völlig unakademischen) Meinung nach war die Mail-Bahn im Schloßpark Laxenburg, jedenfalls auf Teilstücken, mit einer Bretterwand eingezäunt.
 
‚Krünitz‘ schreibt, wie schon erwähnt, über die Beschaffenheit von Mail-Bahnen: „als einen ‚fest geschlagenen‘ (also harten), mit Schranken eingefaßte Boden“. Was nun die Laxenburger Mailbahn betrifft gibt es eine wunderschöne Arbeit des Landschaftszeichners Laurenz Janscha, wo er in einem um 1800 entstandenen Aquarell  den ‚Eingang zum kleinen Prater‘ darstellt. Aber ein Detail am Rande der Zeichnung zeigt eindeutig die aus einem Bretterzaun bestehende Einzäunung vom ‚Palamaygang‘. (i.Ü: Über den „Kleinen Prater“ im Schloßpark Laxenburg werde ich bei Gelegenheit auch noch etwas schreiben.)


Ausschnitt aus "Lorenz Janscha, Eingang zum kleinen Prater in Laxenburg"

Der Pfeil zeigt in Richtung des Dianatempels. Davor ist deutlich die nicht sehr hohe Einfassung des Palamay-Ganges durch einen Bretterzaun zu sehen. Warum sollte der Herr Janscha einen solchen Zaun gezeichnet haben, wenn er ihn gar nicht gesehen hat?
 
Auf dem Plan von Viebeck (1813) stellt sich die Situation so dar:

 
Ausschnitt aus Plan von Viebeck 1813



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