Montag, 21. März 2016

... woher kam das Eis?

Der Eiskeller





Im Schloßpark Laxenburg, wenn man vom Haupteigang kommend durch das „Alte Schloss“ gegangen ist, sieht man in südlicher Richtung, rechts vorne, einen markanten, etwas merkwürdig anmutenden, „bewaldeten“ Hügel. Eigentlich nichts Besonderes, wären da nicht diese „Löcher“. Mit verfallenen Mauerwerk umgebenen sind sie offensichtlich Eingänge, die tief ins dunkle Innere führen. Würde man diesen, nicht nur mit Gras, auch mit hohen Bäumen bewachsenen „Hügel“ umwandern, könnte man mehrere, also genau acht solcher „Eingänge“ entdecken. Die sind allerdings mit Maschengitter versperrt und das ist auch gut so, denn das Ding ist uralt, ziemlich verfallen und für Kinder von … weiß nicht wie alt, bis etwa 85+ könnte das Betreten gefährlich werden.


Der offizielle Park-Plan sagt uns was dieses Ding ist. Es ist (war jedenfalls) ein sogenannter Eiskeller. Also sowas wie ein „Eiskasten“ vergangener Jahrhunderte.


Wie ein moderner Kühlschrank funktioniert ist ja nicht wirklich ein Geheimnis. Oder? Also ich hab‘ so einen Schrank in einem Einkaufstempel nahe bei Laxenburg gekauft. Das ein wenig sperrige Ding hab‘ ich nach Hause gebracht, das Stromkabel mit der Steckdose verbunden, es hat leicht zu Summen begonnen und schon wenig später war es im Inneren des Kastens kalt. Nach Befüllung des Innenraumes mit ausreichend Flaschenbier und ähnlich lebenswichtigen Nahrungsmittel, hatte ich kühle Getränke, frische Lebensmittel und kann seither die abendlichen Nachrichten im Fernsehen mit stoischer Gelassenheit ertragen.


So einfach und bequem konnte man zur Zeit der Erbauung des Eiskellers (darauf komm‘ ich noch zurück) Speisen und Getränke nicht kühlen. Allerdings verwendete man zur Kühlung und Frischerhaltung natürliches Eis. Schon die alten Griechen … Ja, das war bereits in der Antike bekannt, man kann das nachlesen. Die Frage ist, oder war eigentlich nur: woher nimmt man in südlicheren Gebieten im Sommer das Eis?  



Ich hab‘ da ein wenig nachgelesen: Ein gewisser Herr Johann Zeidler (1706 in Breslau geboren und 1751 in Leipzig verstorben), er war Buchhändler und Verleger, der hat auch eine Enzyklopädie geschrieben. Im Jahre 1738 ist sie unter dem sperrigen Titel: „Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, umfassende Enzyklopädie“ erschienen. Dort ist im Band 8 unter dem Begriff „Eiß-Grube“ zu lesen:


„… ist ein mit Fleiss angelegtes Behältniss, worinnen das den Winter über gesammelte Eiss den ganzen Sommer durch zur Erfrischung des Getränkes in der grössten Hitze erhalten werden kann. …“ 

Siehste, und genau das war dieser seltsame Hügel vor dem du stehst: Ein Behälter zum Aufbewahren von Eis, damit man in der „grössten Hitze“ …. Hier in Laxenburg hat das „Behältnis“, also der Eiskeller, vornehmlich dazu gedient, den „allerhöchsten Herrschaften“, also dem Kaiser samt Weib und Kind(ern), hochadeligen Gästen und hochgestellten Persönlichkeiten das kulinarische Leben so angenehm wie möglich zu machen. Es gibt aber (lt. Schloß Laxenburg Betriebsgesellschaft) ein Dokument aus dem Jahr 1851. Darin „… wird den Laxenburger Fleischern und Gastwirthen bewilligt, ihre Fleisch und Eßwaren, wie in früheren Jahren, auch während des heurigen Sommers in den dortigen Hofeisgruben aufbewahren zu dürfen …“.  

Die „Hofeisgruben“ des alten Schosses Laxenburg sind eigentlich ein Ziegelbau, zu einem Teil in den Boden versenkt und darüber mit Erde, Pflanzen- und Baumbewuchs – zur Wärmeisolierung – überdeckt. Im Inneren befinden sich 11 Kellerräume, die teilweise miteinander verbunden sind. Insgesamt haben die Räume eine Ausdehnung von 510 m², bei einer maximalen Raumhöhe von circa 4 Metern. Wann genau dieser Eiskeller in Laxenburg angelegt wurde, weiß man nicht so genau. Schriftliche Unterlagen gibt es offenbar nicht. Aber es gibt Pläne, Karten, Zeichnungen, die Großteils zuverlässig datiert sind. Daraus läßt sich vieles, wenn auch nicht alles „erschauen“.

Der früheste Plan, der mir zur Verfügung steht, ist die sogenannte „Mappa“ aus dem Jahre 1716. Die „Mappa über die „Kayserl‘: HERRSCHAFT LAXENBURG und angränzende March und Dorffschaften, worinnen. Alle Flüß, Bäch, Neugemachte Canal, Graben, Brücken, Wasser überfahren; wie auch alle Felder, wisen und auen eigentlich angemercket“. Gezeichnet hat diesen Plan „Geometriee verfaßet durch J: J: Marioni An. 1716“.

Wie man sieht, da gab’s die „Ortschaft“ Laxenburg im eigentlichen Sinne ja noch gar nicht. Das Schloß kann man erkennen und „Landsitze“ von einigen adeligen „Anrainern“ sind eingezeichnet. Fürst Schwarzenberg, die Grafen Schönherr, Schlick, Sinztendorf, Kaunitz … und Obristen ….
Rund um das Schloß gab’s einen Wassergraben (Teucht steht dort, also Teich), und einen „Rager Stand“, wo die Reiher erhöht gesessen sind (heute tun sie das einfach auf Bäumen), ein Dendel (Rotwild) Garten und der Palamay-Gang sind namentlich erwähnt. Nicht viel mehr. Jedenfalls weit und breit kein Eiskeller. Allerdings hätte man zumindest damals im Winter immer wieder Eis aus dem zugefrorenen Schloßteich entnehmen können.


 
Jean Baptiste de Demenge Brequin, er war Militärkartograph in Wien, zeichnete 1755 eine Karte der Umgebung von Schönbrunn und Laxenburg ("Carte des environs de Schönbrunn et ceux de Laxemburg“) im Maßstab 1 : 10.000, welche als die älteste exakte und detailreiche kartographische Aufnahme der weiteren Umgebung Wiens angesehen wurde. Auch auf dieser ist vom Eiskeller keine Spur vorhanden. Interessant ist jedoch, daß der ringförmige Teich um das Schloß bereits grün gefärbt war. Ob Herrn Brequin beim Zeichen bereits der 1755 erteilte Befehl Kaiserin Maria Theresia‘s bekannt war, daß „… die Mühle zu cassieren und der Schloßgraben auszutrocknen sei …“?

(Hat die Kaiserin befolen, "das die Laxenbuirger Mühl völlig cassieret, der Schloß Graben ausgetrücknet, das Gumpots Kirchene gute Wasser nacher Laxenburg geleitet, die übrige unreine Graben Theils gereinigt und erweitert, Theils gemauert und endlich dem Schloßhauptmann eine uneingeschränkte Vollmacht gegeben werde soll, bey erfolgender inundationen alle Sperrung deren Wasser unter Laxenburg gegen Achau also bald aufheben zu können, allermassen, disertwegen vielfältige Schwierigkeiten und durch dessen Verzögerung ohnentlich grosser Schaden sowohl denen Laxenburger Innwohnern alß der allerhöchsten Herrschaft selber bishero zugefüget worden wären.")

(HHSta, HAL., Fasz. 8, fol. 94, 26. August 1755)



Auch auf einer Zeichnung aus dem Jahr 1768 (von J. Beaulieu, Bauwerke und Park, Bestandsaufnahme, 1768) ist der Eiskeller noch nicht eingezeichnet.

In der Kartensammlung der Österreichischen National-bibliothek befindet sich ein kolorierter Stich des Kupfer-stechers Johann Mansfeld (* 17. 7. 1738 - † 22. 2. 1796) aus dem Jahre 1783: „Plan du Parc du Chateau R. & I. de Laxembourg“. Auf diesem Plan ist unter Position 16 „Cave et Glacière“ der Eiskeller bereits eingezeichnet.
 


Als Schlußfolgerung darf man annehmen, daß der Eiskeller irgendwann zwischen 1768 und 1783 entstanden sein könnte.

Jetzt stellt sich natürlich die spannende Frage, woher denn damals das viele Eis für den vergleichsweise riesigen Eiskeller gekommen sein mag. Wiewohl die Antwort darauf sicher auch in der „Kiste des nutzlosen Wissens“ Platz finden könnte. Wie auch immer.

Welche Kubatur mag denn dieser Eiskeller eigentlich haben? Damit würde auch die ungefähre Eis-Menge bekannt sein, die man zu seiner Befüllung benötigen würde. Das Ding soll also eine Raumfläche von 510 m² haben, eine Erdüberdeckung von etwa einem Meter und die maximale Raumhöhe etwa 4 Meter betragen (© Schloß Laxenburg Betriebsgesellschaft). Nicht nur weil ich einmal hineingeschaut habe, auch der Statik wegen gehe ich von einem tonnenförmigen Gewölbe aus.





Bei einer (geschätzten) Länge des Kellers von 31 Metern muß also die Breite in etwa 16 Meter betragen, um auf die Fläche von fast 500 m² zu kommen. Demnach muß es (wegen der maximaler Raumhöhe) zumindest zwei nebeneinander oder sonstwie angeordnete „Gewölbe“ geben. Weil es sich halt einfacher rechnen läßt, nehme ich zwei solcher nebeneinanderliegende „Gewölbe“ mit 31 Meter Länge und einer Breite von 8 Metern an, womit sich eine maximale Raumhöhe von vier Metern ergibt. Diese zwei „Halbzylinder“ ergeben somit einen ganzen Zylinder mit 31 Meter „Höhe“ und 8 Meter Durchmesser und damit die ungefähre Kubatur des Eiskellers. Berechnet man jetzt nach der Formel  V=r². Pi.H  das Volumen des „Zylinders“, so kommt man (Pi mal Daumen gerechnet) auf rund 1.500 m³.


Wessel Reinink beschreibt in seinem Buch („Eiskeller, Kulturgeschichte alter Kühltechniken.“ ISBN: 3-205-98405-6) sehr ausführlich die Methoden der Nutzung von Natureis zur Bevorratung verderblicher Güter. Genau wird beschrieben woher das Eis stammt, wie es „gewonnen“ wurde und natürlich werden auch die verschiedenen Bauformen von Eisgruben, Eiskellern und Eishäusern beschrieben.


Eine anschauliche und recht plausible Darstellung wie speziell der Eiskeller in Laxenburg „funktioniert“ haben könnte habe ich im Internet, auf der Homepage der „Schloß Laxenburg Betriebsgesellschaft“ (www.schloss-laxenburg.at/) gefunden:


„Über die Eisgewinnung, deren Transport und Lagerungsmethoden von Laxenburg liegen gegenwärtig keine nachweislichen Aufzeichnungen vor. Entsprechende Überlieferungen ähnlicher Einrichtungen z. B. in Retz, aber auch im Schloß Kirchstetten - Weinviertel, lassen jedoch folgende Methode realistisch erscheinen: Das Eis mußte dafür stark genug - sicherlich über 20 cm – und damit tragfähig sein, um gefahrlos darüber laufen zu können. Erst dann begann die „Eisgewinnung" für die Erd- bzw. Eiskeller. Jährlich in den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester, wenn die Eisstärke im Teich ihren Maximalwert von 18 bis 20 cm erreicht hatte, wurden große Eisplatten mittels Hacken, aber auch Sägen, aus dem Eis geschlagen und mit Eishacken über vorher planierte Schneebahnen an das Ufer gezogen.

Dort wurden die Platten auf Holzpfosten senkrecht aufgestellt, damit Schmelzwasser abrinnen konnte; nach 2 Tagen wurden die Platten umgeworfen, in tragbare Stücke von ca. 20 bis 25 kg Gewicht zerschlagen, händisch auf Pferdewagen (nicht Schlitten) geladen und zu den Eiskellern transportiert. Die Kutscher hatten dicke Filzstiefeln - die mit Jutesäcken umwickelt waren - an den Füßen. Beim Erd- bzw. Eiskeller angelangt, wurden die Eisblöcke abgeladen und in die vorhandenen Eiskeller abgelagert. Das Eis wurde zuerst durch die seitlichen, später durch die teilweise vorhandenen oberen Öffnungen, in die Grube geworfen und dort von zwei Mann in etwa faustgroße Stücke zerschlagen, verteilt und verdichtet. Sobald die Grube gefüllt wer, verschloß man die seitlichen Eingänge mit Eisplatten und Brettern und füllte dann den gesamten Raum bis knapp zur Decke weiter an. Nachdem die Männer den Keller durch die Deckenöffnung verlassen hatten, wurden diese mit Brettern und Erde verschlossen. Erst ab dem Frühjahr wurde durch diese Öffnung dann nach Bedarf das ganze Jahr über Eis entnommen. Der Eisvorrat reichte bis Ende August, oft bis in den September hinein und hielt somit die Lebensmittel über das gesamte Jahr hindurch kühl.“

Ausgehend von einer angenommenen Eis-Dicke von 20 cm läßt sich jetzt auch die Fläche berechnen, die bei (theoretisch) einmaliger, also an einem Tag durchgeführter „Eis-Ernte“ zur Verfügung stehen müßte: 1500 m³ / 0,2 m = 7500 m², oder, anders gesagt, eine Wasserfläche von etwa 87 mal 87 Metern.

Und jetzt noch einmal zur „Gretchenfrage“: Woher kam das Eis?

Zur Erinnerung: Erbaut wurden die “Hofeiskeller“ wahrscheinlich zwischen 1768 und 1783. 1755 hat Maria Theresia den Befehl erteilt den Graben um das „Alte Schloß“ trocken zu legen.

Mit Eis aus dem Schloßteich (aus welchem auch immer) konnte der Eiskeller damals jedenfalls nicht befüllt worden sein. Der Wassergraben um das „Alte Schloß“ war längst trockengelegt und der „neue“ Schloßteich, der bei der Franzensburg, der war noch nicht vorhanden. Erst 1798 wurde mit dem Aushub des Teiches begonnen und frühestens ab 1801 (Eröffnung der Franzensburg) konnte dort Eis „geerntet“ werden.

Weil ein Eiskeller aber nun einmal Eis benötigt, um seinen Zweck zu erfüllen, gehe ich davon aus, daß genügend Eis aus „stehenden“ Gewässern in der näheren Umgebung (sowohl bei Guntramsdorf, als auch bei Himberg gab’s damals recht große Teiche) zur Verfügung stand. Möglicherweise hat man auch Wasserläufe aufgestaut, oder in Becken geleitet, oder aber …. der Möglichkeiten und Spekulationen gibt es viele.

Wer sich die Mühe macht, kann sogar heute noch dem Verlauf des Gerinnes nachgehen, das für den Ablauf des Anteils von Schmelzwasser angelegt wurde, das nicht im Boden versickerte. An der dem Schloß zugewendeten Seite des Kellers ist ein seichter Graben zu erkennen, der sich auf der anderen Seite des Weges fortsetzt und schließlich über einen aus Stein gefertigten „Abfluß“ in die Schwechat mündet.




Bevor das Schmelzwasser aber abfließen kann, muß zuerst einmal Eis drinnen sein. Und das muß irgendwie hineinkommen. Befüllt wurde der Eiskeller in Laxenburg über sechs Einfüllschächte auf der Oberseite des Kellers.




Um diese Einfüllschächte mit Karren, oder Wägen zu erreichen braucht man natürlich auch eine Auffahrtsrampe.


An spärlich vorhandenen Resten kann man erahnen, daß die acht Eingänge einst aus ansehnlichen gemauerten Portalen bestanden haben.





Über die „Innenausstattung des Eiskellers ist (mir) leider nichts bekannt. Wie der Augenschein nur zu deutlich beweist, der Eiskeller im Schloßpark zu Laxenburg ist weitgehend verfallen. Auf der Homepage der Schloß Laxenburg Betriebsgesellschaft kann man allerdings, sozusagen als Lichtstreif am (sehr) fernen Horizont, folgendes lesen:

„Derzeit sind die Hofkeller aufgrund der baulich fehlenden Substanz gesperrt und können nur von außen besichtigt werden. Eine Revitalisierung bzw. Nutzung wird aber für die Zukunft angestrebt.“

Diese Botschaft lese ich seit sehr vielen Jahren, deshalb fehlt mit halt der Glaube an eine Umsetzung. Daß nichts gemacht wurde, das darf man so aber auch nicht sagen. Vor einigen Jahren, etwa 1995, wurde der Eiskeller von Abfällen und Schutt befreit, teilweise wurden einige Bäume auf dem Eiskeller gefällt und die Eingänge mit Maschendrahtzaun versperrt. Von der versprochenen „Revitalisierung“ ist freilich nichts zu bemerken.

Eine Baumwurzel bahnt sich ihren Weg
 
 
 
 
 

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