Die Marianneninsel
Fotografiert aus "Laxenburg, Juwel vor den Toren Wiens", Foto H.Suck |
Wandert man im Schloßpark Laxenburg von der Fähre bei der Franzensburg
aus in östlicher Richtung, immer entlang des Ufers des Schloßteichs, so kommt
man logischerweise irgendwann an das Ende des Gewässers. Gegenüber einem
schmalen Kanal sieht man eine dichtbewaldete Insel und ein wenig weiter vorne
erkennt man das Wehr womit der Wasserstand im Teich reguliert werden kann.
Sonst ist hier anscheinend nichts Besonderes zu sehen.
Und doch … Sogar in den Sommermonaten, wo dichtes Laub der
zahlreichen Bäume und Sträucher auf der Insel den Einblick nahezu versperrt, kann
man dort etwas Auffallendes feststellen. Durch Lücken im Blätterwald erkennt
man, wenn auch nur schemenhaft, verfallenes Mauerwerk eines großen Gebäudes. Es sind
die spärlichen Reste eines einst stattlichen Bauwerks: Des Mariannentempels.
Besichtigen kann man die Trümmer allerdings nicht. Die Ruine
steht ja auf einer Insel, der Marianneninsel, und ist, zumindest im Sommer, vom
‚Festland‘ aus nicht zu erreichen.
Erst nach dem Ende der französischen Besatzung dachte Kaiser
Franz I. wieder daran den Teich in Richtung Osten zu erweitern. 1809 jedenfalls
bewilligte der Kaiser eine dementsprechende anfragende Bitte von
Schloßhauptmann Riedl:
„Ich genehmige die in der Frage
stehenden Arbeiten und ist nur dafür zu sorgen, daß der darauf präl.
Kostenaufwand nicht allein nicht überschritten, sondern wo möglich noch daran
gesparet werde. Franz m.p.“
(HHStA, OKäA, Kt.65, Nr. 193/1809, 28. Jänner 1809,
Intimat an Riedl)
Die weiteren Aushubarbeiten (Exkavationen) für den Teich
gingen aber nur zögerlich vonstatten. Ein von einem Hauptmann Viebeck
gezeichneter Plan der Schloß- und Parkanlage Laxenburg aus dem Jahre 1813 zeigt
zwar eine geringe Erweiterung der Wasserfläche, jedoch reichte sie noch lange
nicht, wie geplant, bis zur östlichen Parkgrenze.
Auf diesem ‚Gesamtplan
von Schloss und Park mit den Sehenswürdigkeiten für die Besucher‘ von
Viebeck aus dem Jahre 1813 scheint die Gegend östlich der Franzensburg
scheinbar Festland zu sein. In Wirklichkeit ist dieses Land eine einzige
riesige Insel, die ringsum von schmalen Kanälen umgeben ist.
Auf einem Plan von 1820 ist der Teich nach Osten hin zwar wesentlich
erweitert, die Marianneninsel ist allerdings noch immer nicht vorhanden.
Kaiser Franz I. erteilte seinen Schloßhauptmann (Riedl) den
mündlichen Befehl die jetzt noch bestehende ‚Insel‘ abzutragen, den Teich bis
an die östliche Parkgrenze zu erweitern und dabei eine neue Insel auszusparen.
Auf dieser Insel sollte dann ein ‚Fischerdorf‘ gebaut werden. Dieses sollte
nach Anordnung des Kaisers aus vier ‚Schweizerhäusern' bestehen. „… nämlich für Seine Majestät den Kaiser [Franz I.], für
seine Kaiserliche Hoheit Erzherzog Ferdinand, Kronprinzen, für Sr. Kais. Hoh.
Erzherzog Franz und für Sr. Kais. Hoh. Erzherzog Ludwig, das Ganze und der
Benennung Ferdinandsdörfl, aufgeführt werden sollten.“
(HHStA, HAL 14, Marianneninsel, 1840)
(HHStA, HAL 14, Marianneninsel, 1840)
Auf einem weiteren ‚Gesamtplan‘, datiert 1830 und signiert
von einem Herrn Stumpcher erscheint die Marianneninsel bereits eingezeichnet.
Auf der Insel ist auch das Fischerdorf, das „Ferdinandsdörfl“ angedeutet. Gebaut
wurde es allerdings nie. Schon deshalb nicht, weil der Teich noch gar nicht so
weitreichend ausgehoben war.
1835 starb Kaiser Franz I. und sein ältester Sohn folgte ihm
als Kaiser Ferdinand I. auf den österreichischen Thron. Bereits 1837 gab der
Kaiser den Befehl:
„Zur Bestreitung der Kosten eines
im Laxenburger Parke zu führenden Baues, worüber Ich dem Schloßhauptmann Riedl
Meine Genehmigung ertheilt habe, werden Sie demselben vom Monathe November 1837
an bis inclusive October 1840 monathlich den Betrag von fünfhundert Gulden
Conv. Münze aus Meiner Privat Cassa gegen dessen Quittung erfolgen lassen.
Ferdinand.“
(HHStA, GDPFF, ältere Reihe, Fasz. Blau 4, Konvolut Laxenburg -Vösendorf, fol. 165, 10. Oktober 1837 [Kt. 21])
Das war sozusagen
der „Startschuß“, um den Schloßteich endgültig auszubauen und die neue Insel
entstehen zu lassen. Diese Insel erhielt zu Ehren der Gattin Kaiser Ferdinand
I., Kaiserin Maria Anna (Prinzessin von Sardinien-Piemont; *19.9.1803 in Rom, †4.5.1848 in Prag) den Namen Marianneninsel.
Kaiser Ferdinand I. wolle allerdings auf dieser Insel kein Fischerdorf errichten, sondern ein seiner Gattin gewidmetes Lusthaus. Am 29. August 1840 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung für den zu errichtenden „Mariannentempel“, und am 27. Juli 1841 fand dessen festliche Eröffnung statt.
Kaiser Ferdinand I. wolle allerdings auf dieser Insel kein Fischerdorf errichten, sondern ein seiner Gattin gewidmetes Lusthaus. Am 29. August 1840 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung für den zu errichtenden „Mariannentempel“, und am 27. Juli 1841 fand dessen festliche Eröffnung statt.
In meinem Besitz befindet sich eine Fotographie die zeigt wie dieses Gebäude 1923
von außen ausgesehen hat. Das Foto hat mir Hr. Dr. Weber (mein leider
schon verstorbener ‚Hausherr‘, der auf dem Bild sogar selbst abgebildet ist)
überlassen.
Mariannentempel 1923 |
Gerhard Dützele von
Coeckelberghe („Das k.k.
Lustschloß Laxenburg“, Wien, 1846) soll uns schildern wie es innen ausgesehen
hat:
„Die bedeutendste neue Schöpfung im
Parke ist der Pavillon auf der Marianen-Insel, zu Ehren Ihrer Majestät der
regierenden Kaiserin also genannt. Dort, wo aus dem mit malerisch schönen
Baumgruppen umkränzten Parksee, diese Insel, welche mittels einer Brücke mit dem Lande verbunden ist,
sich ausdehnt, erhebt sich das Gebäude im gothischen Style. Es bildet ein
längliches Viereck von der Höhe einer Etage, mit der symmetrisch schön geordnet
und angelegten, dem Baustyle angemessenen, verzierten Facade gegen die kaiserl.
Wohngebäude, mit der einen Flanke gegen die Ritterburg, mit der anderen gegen die
Stadtseite gewandt; Fronte und Tiefe in gehöriger Proportion mit der Höhe, wie
überhaupt der ganze Bau in allen seinen Dimensionen die richtigen Verhältnisse
zeigt.
Von Außen gegen die Landseite
gelangt man über Stufen durch das in der Mitte angebrachte schöne Portal in das
Innere, welches in das Hauptschiff und zwei Seitengemächer rechts und links
abgetheilt ist, und von der Vorderseite die Aussicht bietet auf die Gebirge,
die in den Kahlen- und Leopoldsberg auslaufen; von der Rückseite über den See,
nach der großen freien Ebene hin, die sich bis an die ungarische Grenze
erstreckt. Der im Bogen gespannte Plafont ruht frei ohne Säulen-Unterstützung
auf den Hauptmauern.
Der Landschafter
Karl Geyling erhielt den Ruf, eine beträchtliche Anzahl von Gemälden auf Glas
auszuführen, die an den Flügelthüren und Spitzbogenfenstern angebracht sind,
z.B. den Dom zu St. Stephan, die Karlskirche, den Hof, hohen Markt und die
Spinnerin am Kreuze nächst Wien. Das herrliche Holzgetäfel darin ist eine
kostbare Antiquität; es befand sich bis zum Jahre 1820 in den alten
Gilleis’schen und Auersperg’schen Freihäusern in der Herrengasse, woraus das
heutige Nationalbankgebäude entstand, und wurde von dem k.k. Schloßhauptmann
Riedl von Leuenstern hierher verehrt. In diesem Pavillon ist auch der schöne
antike Mosaikboden, „Theseus und Ariadne” vorstellend, der von den Loiger
Feldern bei Salzburg ausgehoben wurde, angebracht, und von seltener Schönheit
ist die mit künstlichen Malereien geschmückte Sessel-Garnitur welche sein
Ameulement bildet.“
Überführung des antiken
Mosaikfußbodens aus dem Pavillon auf der Marianneninsel zu Laxenburg nach Wien
am 26. l.M. Wuede von der I. Gruppe der Kunsthistorischen Sammlung des
Kaiserhauses übernommen. 30. Oktober 1888.
Das im
Fußboden des Gartenpavillons auf der Marianneninsel eingelassene römische
Mosaik wurde in 23 Stücken übernommen. Kunsthistorische Sammlung 1888.
Da nun
der Saal, in dessen Fußboden obiges Mosaik einzufügen bestimmt ist, seiner
Vollendung entgegen geht, erscheint es wünschenswert, die Arbeiten zur
Übertragung dieses Kunstwerkes in der noch günstigen Jahreszeit – jedenfalls
vor Eintritt des Frostes – durchzuführen. 31. Oktober 1888. Oberstkämmerer
Trauttmannsdorf. Zur Einleitung bezüglicher Arbeiten wäre es jedoch vorerst
notwendig zu konstatieren, in welcher Weise der Mosaikfußboden gelegt und wie
dessen Unterbau beschaffen ist, wozu die Aushebung eines kurzen Stückes des das
alte Mosaik umgebenden, ohnedies schon defekten imitierten Mosaikfußbodens
erforderlich wird. (Datum s.o.)
(HHSTA. OMeA, Kt. 1150, r. 43/C/2 ex 1888)
Ebenfalls entfernt wurden 1901 die
Bleikristalluster, die in das Hofmobilien-Depot in Wien überführt wurden. 1903
wurden weitere Kunstgegenstände aus dem Mariannentempel entfernt: „…
die in der hieramtlichen Kanzlei deponierten bemalten Türglastafeln vom
Marianneninsel – Pavillon an das Hof – Mobilien und Material Depot gesendet.“
(HHSTA. OmeA, 1903, r.43/C/9, Z. 809
Ausschnitt aus Kartenplan von 1873 |
Wenn wir so am Ufer stehen und zur Insel hinübersehen, dann
fragen wir uns vielleicht, wie man einst trockenen Fußes dort hinüber zum
Mariannentempel gekommen sein mag.
Coeckelberghe hat es in seiner Beschreibung schon erwähnt und ein
kleiner Ausschnitt aus einem Plan von 1873 (Gradkartenblatt Zone 13 Colonne XV Section c1) zeigt es uns. Etwa bei der schmalsten Distanz
zwischen Ufer und Insel befand sich einst eine Brücke.
Bedenkt man die von
Herrn Coeckelberghe erwähnte kostbare Ausstattung des Mariannentempels, so ist
es kaum verwunderlich, daß es nicht lange dauerte, bis der folgende Antrag
gestellt wurde:
…“Es war schon längst im Antrage,
daß der gegen Achau ganz freien Begränzung des Laxenburger Parkes zur
Hinanhaltung des schon oft wegen leichter Zugänglichkeit und Mangel an
nächtlicher Aufsicht Statt gefundenen Frevels an edlen, kostbaren Bäumen und
Gesträuchern ein Wachhaus errichtet werde, welches Erforderniß nunmehr wegen
dem auf Anschaffung an jener äußersten Begränzung im Bau befindlichen neuen
Gartengebäude, welches mit kostbaren Meubeln eingerichtet wird, um so
unerläßlicher ist, als man erst am jüngst verflossenen Samstag, den 20. März
l.J. eine beabsichtigte Entfremdung am Bau- und Gerüsthölzern entdeckte, und
nachdem dieses Gebäude nach dem Ah. Willen Sr. Majestät bis zu dem im Monate
Juli d. J. eintretenden Ah. Feste Ihrer Majestät der Kaiserin vollständig
hergestellet und meublieret seyn soll, so ist zur Schützung dieses Gebäudes,
der kostbaren Meublirung und der neuen Gartenanlage höchst nötig, daß das pro
anno 1842 präliminierte Wachhaus noch im gegenwärtigen Jahre, und zwar so bald
als wie möglich hergestellet werde.“
Das untenstehende
Photo ist im Winter 2001/2002 entstanden. Es zeigt recht eindrucksvoll den
inzwischen sehr weit fortgeschrittenen Verfall des einst so berühmten Gebäudes.
Ruine Winter 2001 / 2002 |
2016 gibt es noch
immer kein Dach für den Mariannentempel und eine Sanierung ist erst recht nicht in Sicht. Das
Gebäude ist dem weiteren Verfall preisgegeben.
Schade eigentlich, besonders,
wenn man die optimistische Zusammenfassung von Arch. Dipl.-Ing. Dr.techn Gerold
Esser liest! (Gerold Esser, „Der „Mariannentempel“ im Schlosspark
Laxenburg – Eine Bestandsaufnahme“)
Einige kleine Zitate daraus:
„Der Pavillon auf der
Marianneninsel, der so genannte "Mariannentempel", ist eine der nach
verheerenden Kriegsauswirkungen noch immer in beklagenswertem Zustand
dahinvegetierenden Gartenarchitekturen im Park des kaiserlichen Lustschlosses
in Laxenburg vor den Toren Wiens (Abb. 606). Als letzte größere Baumaßnahme im
Bereich der von Kaiser Franz im Geiste romantischer Rückbesinnung weitgehend
umgesetzten und nach dessen Tod im Jahre 1835 vollendeten Parkerweiterung gegen
Achau, stellt der Gartenpavillon ein architektonisches Juwel im Stile der
späten "Laxenburger Gotik" dar. Seine kurze Bau- und
Nutzungsgeschichte läßt sich - soweit bekannt -in wenigen Sätzen
zusammenfassen: Nach Erweiterung der Teichlandschaft am äußersten östlichen
Ende des Gartens entsteht hier ab 1837 eine kleine, auf Plänen der 1820er Jahre
beruhende Insel. Der Architekt des wenig später auf der Insel errichteten
Bauwerks ist nicht überliefert. Als sein Schöpfer kann aber wegen der
gegenwärtig nicht belegten Zuordnung bekannter Architektennamen dieser Zeit nur
der langjährige und verdiente Schloßhauptmann Michael Sebastian Riedl von
Leuenstern selbst angenommen werden, der im Übrigen ja auch als der Erbauer der
Franzensburg gilt. „
....
„Dank einer 2004/2005 mit
Studierenden der Architektur durchgeführten Bauaufnahme der Technischen
Universität Wien liegt nunmehr eine vollständige Baudokumentation des
Gartenpavillons vor (Abb. 607). Sie hat vor allem eines gezeigt: Das Bauwerk
präsentiert sich heute wegen seiner herausragenden bautechnischen Qualität in
einem - gemessen an den Verhältnissen - guten Zustand und ist auf Grund der
Fülle der erhaltenen Bau- und Ausstattungsdetails sowie einer außergewöhnlich
dichten Planlage in nahezu all seinen Einzelheiten rekonstruierbar.“
....
Als besonderer Glücksfall kann
das Vorhandensein gleich zweier vollständiger Plansätze gelten, welche das
Gebäude in Verbindung mit der durch die TU Wien erstellten Bauaufnahme in
seinen verschieden Planungs- und Nutzungsphasen dokumentieren. Die
chronologisch früheste, sechsteilige Planserie kann auf Grund ihres großen
Maßstabs, der genauen Vermaßung in den Einheiten Wiener Klafter, Fuß und Zoll,
sowie der technischen Zeichensprache als Bauplan angesehen werden (Abb. 608).
Ihre nahezu korrekte geometrische Übereinstimmung mit den Zeichnungen von 2005
belegt ein definitives Planungsstadium kurz vor der Realisierung.
….
Die Vielzahl an teils noch
vorhandenen, teils rekonstruierbaren Bau- und Ausstattungsdetails sowie die
perfekt konservierte tragende Bausubstanz lassen damit die wünschenswerte
Sicherung und denkmallgerechte Restaurierung des kleinen Gartenpavillons der
Maria Anna in Laxenburg als lohnenswert und machbar erscheinen. Das durch TU
Wien, Bundesdenkmalamt und die Schloß Laxenburg Betriebsgesellschaft bekundete Interesse
und Engagement für ein solches Vorhaben rücken seine Erhaltung - bei
entsprechender Förderung durch die öffentliche Hand - in greifbare Nähe.
Diese im abschließenden Absatz bekundete Zuversicht einer
denkmalgerechten Restaurierung ist inzwischen auch schon wieder über ein
Jahrzehnt alt…..
... und so kommt ihr dort hin: Fähre → Marianneninsel ~ 750m
Impressionen:
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